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Patsy l‘Amour laLove engagiert sich u.a. im Schwulen* Museum Berlin und schreibt auch gelegentlich für queer.de (Bild: Dragan Simicevic Visual Arts)

  • 20. Oktober 2015, 12:57h 46 4 Min.

Die Berliner Polittunte Patsy l'Amour laLove verirrte sich am Montag ausgerechnet in die Pegida-Meute, wurde beschimpft und bedroht – die Polizei schritt nicht ein. Ein Erfahrungsbericht.

Von Patsy l'Amour laLove

Als am Montagabend die Dresdner Pegida-Bewegung ihr Einjähriges feierte, demonstrierten mein Freund und ich gemeinsam auf einer der Gegendemonstrationen. Zunächst auf der Sophienstraße, um dann zum Postplatz zu gehen. Von dort aus wollten wir uns auf den Weg in die Neustadt machen.

Auf dem Weg gerieten wir in einen Angriff von Pegida-Nazis, die unter anderem mit Pfefferspray auf Gegendemonstranten und teils wahllos auf Passanten losgingen. Links und rechts von uns waren Nazis – wir bekamen Angst und liefen schnellstmöglich weg.

Man könnte sagen: Blöd von euch, wo ihr nicht ortskundig seid. Und blöd, dass ihr nicht in den Kampf gegangen seid. Das Letztere liegt uns nicht, das Erstere stimmt, aber sollten wir deshalb zu Hause bleiben? Dieser Ratschlag ist ja gerade für Schwule nichts Neues.

Die Ortsunkundigkeit ist wichtig: Denn wir liefen in genau die falsche Richtung. So irrten wir ungefähr eineinhalb Stunden durch Straßen, in denen außer uns zwei offenkundigen Schwulen ausschließlich Faschos unterwegs waren.

Immer wieder blöd angemacht, beschimpft, bedrängt

Wir fanden uns schließlich an dem schlechtesten Ort für zwei auffällige Schwule in genau diesem Moment wieder: dem Dresdner Rummel und Umfeld. Es war nicht nur ein Spießrutenlauf, es kam uns eher vor wie in einem schlechten Zombie-Film, in dem die Monster immer mehr werden. Nur eben war die Gefahr real. Überall Nazibratzen, die uns ihre Schwulenfeindlichkeit spüren ließen, blöd anmachten, hinterherliefen, beschimpften, bedrängten.

Und es gab für uns keinen Ausweg. Drei Taxiunternehmen schickten uns kein Taxi vorbei. Die Menschen an den Buden und Fahrgeschäften waren meist offenkundig Pro-Pegida. Und die Passanten: alles Pegidas. Das hört sich übertrieben an, aber wie gesagt: Es war genau die falsche Gegend zum falschen Zeitpunkt.

Wir beide standen zitternd da, liefen umher, versuchten, eine sichere Ecke zu finden – was unmöglich war. Schließlich wurden wir weiter beschimpft, und ich rief um 21:37 Uhr den Notruf. Ich schilderte schnell die Situation, die Frau vom Notruf meinte: Tja, da können wir nix machen. Meinen Sie etwa, dass wir Sie abholen?" Meine Frage, was wir tun sollen, beantwortete sie genervt mit einem "Was weiß denn ich?"

Dieser Notruf ist der eigentliche Grund, weshalb ich das alles berichten möchte: Ich habe zum zweiten Mal in meinem Leben den Notruf alarmiert. Am 12. September 2010 wurden wir beide in Stuttgart-West von zwei Männern angegriffen, beworfen und durch die Straßen gejagt: "Ihr perversen Schweine! Ihr seid dran!" Im Rennen rief ich den Notruf. Der Mann am Apparat: "Ja glauben Sie, dass wir Sie zu Ihrem Club kutschieren?" Ich fragte ihn, was wir tun sollen, er lachte mich aus. Währenddessen die Schreie "Ihr Schweine!" hinter uns. Zwei Mal hätten wir Hilfe gebraucht – und zwei Mal wurde sie uns nicht nur verweigert, wir wurden verspottet. Die Stuttgarter Polizei lud uns als Entschuldigung zu Kaffee und Kuchen ins Revier ein. Guten Appetit.

Einziger Ausweg: Flucht ins Maritim-Hotel

Zurück zu Dresden 2015: Da stehen wir beide mitten unterm Nazivolk, bei Neonlicht und Schlagermusik. Wir zitterten und konnten uns nicht anfassen, schauten uns aus Angst nicht zu tief in die Augen. Und trotzdem wurden wir weiter schwulenfeindlich angemacht. Nach ein paar Minuten rannten wir über den riesigen dunklen Parkplatz, auf dem sich Hunderte – das ist wirklich nicht übertrieben – Nazis aufhielten, liefen durch den Tunnel, gegen die Laufrichtung der Pegida-Heimkehrer, der Zug hörte nicht auf; und die erste und einzige Rettung wurde das Maritim-Hotel.

Auch in der Hotel-Lobby: ein widerwärtiger Nazi, der seiner Truppe davon erzählet, wie er zuvorjemandem die Fresse poliert hat und wie geil es war. Wir verzogen uns in die dunkle Ecke der Hotel-Bar. Wir warteten lange, bis sich draußen der Pegida-Auto-Konvoi etwas lichtete, so dass eine halbe Stunde später endlich ein Taxi für uns frei war.

Man könnte sagen, es sei doch nichts passiert, was solle die Polizei da auch tun? Diese Ansicht teilte auch die Dame am Notruf. Sie machte mich in aller Deutlichkeit darauf aufmerksam, dass ja gar nichts passiert sei. Schön, wir hätten vielleicht erst Mal die Situation eskalieren und uns die Fresse polieren lassen sollen. Vielleicht wären wir dann wenigstens vom Krankenwagen weg"kutschiert" worden.

In Notsituationen wird uns nicht geholfen, wir werden ausgelacht.

Wie viele Schwule, Lesben und Trans*Menschen gibt es, denen der Notruf in solchen und ähnlichen Situationen nicht geholfen hat? Wie oft vielmehr hat der Notruf – wie bei uns – durch Ignoranz und Unverschämtheit die Situation noch verschärft? Wie viele rufen erst gar nicht die Polizei, weil sie wissen, dass ihnen nicht geholfen wird?

Auch wenn es nervt, das hier zu schreiben und kund zu tun, einfach weil das Scheiß-Erfahrungen waren und es nun wieder allerhand Stimmen geben wird, die meinen, wir seien doch selbst Schuld gewesen. Diese Fragen sind für mich ein wichtiger Grund dafür, warum ich das hier (nochmal) öffentlich mache. In Notsituationen wird uns nicht geholfen, wir werden ausgelacht.

Liebe Polizei, "vielen Dank für Nichts" wäre übertrieben.

#1 goddamn liberalAnonym
  • 20.10.2015, 13:56h
  • Jagdszenen im Land des rosa Winkels.

    www.polizei.sachsen.de/de/pdd.htm

    Da kann man sich als Bürger und Steuerzahler erst mal beschweren.

    Und dann kann man sich fragen, ob es sich da nicht um unterlassene Hilfeleistung handelt.

    Beschimpfungen und Bedrohungen sind übrigens auch strafrechtlich relevant.
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#2 reiserobbyEhemaliges Profil
  • 20.10.2015, 14:03h
  • Danke für diesen immens wichtigen Text, liebe Patsy.
  • Direktlink »
#3 LorenEhemaliges Profil
  • 20.10.2015, 14:05h
  • Wenn Strafverfolgungsbehörden bzw. Mitarbeiter derselben mit Staatsfeinden gemeinsame Sache machen oder diese gewähren lassen, kann man vom "tiefen Staat" sprechen. Wer an diesen "tiefen Staat" nicht schonungslos die Axt anlegt, indem verhandene strukturelle Verbindungen zerstört und seine Protagonisten mit rechststaatlichen Mitteln bekämpft werden, kann eine wehrhafte Demokratie, die u.a. jeden Bürger vor Übergriffen (auch des Staates) schützen soll, nicht sichern und bereitet u.a. den Boden für Gewalt und Dskriminierung von nicht heterosexuellen Menschen.
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